Mit dem Inkrafttreten des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) im November 2023 sind deutlich mehr Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Energieverbrauch mittels des Energie-Managementsystems ISO 50001 zu bewerten und zu optimieren. In diesem Zusammenhang rücken raumlufttechnische (RLT) Anlagen als zentrales Element moderner Gebäudetechnik in den Fokus.
RLT-Anlagen bilden das Herzstück effizienter Gebäudeinfrastruktur. Sie gewährleisten nicht nur eine frische Luftzufuhr und angenehme Raumtemperaturen, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Energieeffizienz von Gebäuden. Angesichts des voranschreitenden Klimawandels und steigender Energiekosten steht die Branche vor der Herausforderung, RLT-Anlagen weiter zu optimieren, um den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden zu reduzieren und den kontinuierlichen Anforderungen der ISO 50001 gerecht zu werden.
Wie können Managementsysteme helfen?
Um diese Herausforderung anzugehen, bieten Energie- und Umweltmanagementsysteme (EnMS/UMS) wie ISO 50001 oder ISO 14001 einen strukturierten Ansatz zur kontinuierlichen Verbesserung der Energieeffizienz. Der PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) bildet dabei das Kernstück. Die zentrale Frage lautet: Wie können RLT-Anlagen so geplant und betrieben werden, dass sie optimal in diese Managementsysteme integriert werden?
Was sind Energieleistungskennzahlen und warum sind sie entscheidend?
Ein Schlüsselelement dieser Managementsysteme sind Energieleistungskennzahlen (EnPI - Energy Performance Indicators). Diese quantifizierbaren Messgrößen beschreiben die energiebezogene Leistung einer Organisation oder eines Systems. Für RLT-Anlagen sind relevante EnPIs beispielsweise der spezifische Energieverbrauch pro Quadratmeter (kWh/qm) oder die Wärmerückgewinnungseffizienz in Prozent. Diese Kennzahlen ermöglichen es, Ziele präzise zu definieren, Fortschritte möglichst frei von wechselnden Einflüssen zu messen und Optimierungspotenziale zu identifizieren.
RLT-Anlagen als wesentliche Energieverbraucher
Im Kontext dieser Kennzahlen wird deutlich, warum RLT-Anlagen in vielen Gebäuden als wesentliche Energieverbraucher (Significant Energy Use, SEU) eingestuft werden. Ihr kontinuierlicher Betrieb und der hohe Energiebedarf für Luftförderung, Heizung, Kühlung und Befeuchtung führen dazu, dass der Energieverbrauch der RLT-Anlage in Nichtwohngebäuden wie Bürogebäuden oder Krankenhäusern leicht 30 - 50 % des Gesamtenergieverbrauchs ausmachen kann. Die Identifizierung als SEU bedeutet, dass RLT-Anlagen im Rahmen des Energiemanagements besondere Aufmerksamkeit erhalten und priorisiert für Optimierungsmaßnahmen betrachtet werden.
Wie passt RLT-Planung in den PDCA-Zyklus?
Um die Optimierungspotenziale von RLT-Anlagen systematisch zu erschließen, ist es wichtig, die RLT-Anlagen in allen Phasen des PDCA-Zyklus des Managementsystems zu berücksichtigen:
Plan-Phase: Grundlagen für effiziente RLT-Anlagen schaffen
In dieser Phase werden die Weichen für eine energieeffiziente RLT-Anlage gestellt:
Auslegungsparameter und Planungsgrundlagen definieren
Festlegung relevanter EnPIs
Erfassung der energetischen Ausgangsbasis (Energy Baseline)
Vernetzung und Automatisierung: Integration in ein übergeordnetes Gebäudeleitsystem
Monitoring-Konzept: Planung eines umfassenden Sensorik- und Datenerfassungssystems
Do-Phase: Von der Theorie zur Praxis
In dieser Phase werden die geplanten Maßnahmen umgesetzt:
Installation der Messtechnik (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Energieverbrauch etc.)
Einrichtung der Datenerfassung und -auswertung
Festlegung der Regel- und Steuerungsparameter
Schulung der Mitarbeiter
Inbetriebnahme und Einregulierung
Check-Phase: Kontinuierliche Leistungsüberwachung
Die regelmäßige Überprüfung der Anlagenleistung ist entscheidend für den Erfolg:
Kontinuierliche Auswertung der EnPIs
Vergleich mit der energetischen Ausgangsbasis
Überprüfung der Behaglichkeit und Raumluftanforderungen
Identifikation von Abweichungen
Act-Phase: Kontinuierliche Verbesserung
Basierend auf den Erkenntnissen der Check-Phase werden Optimierungen vorgenommen:
Feinabstimmung der Regelparameter
Technische Verbesserungen
Definition neuer Zielwerte für EnPIs
Anpassung der Wartungsstrategie
Wie können Nutzer aktiv einbezogen werden?
Ein oft unterschätzter Faktor in diesem Prozess ist die Einbindung der Gebäudenutzer. Sie spielen eine entscheidende Rolle für die Energieeffizienz. Ansätze zur Nutzereinbindung umfassen individuelle Steuerungsmöglichkeiten, Feedback-Systeme, Gamification-Ansätze sowie Schulungen und Informationskampagnen.
Welche rechtlichen und normativen Aspekte sind zu beachten?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für RLT-Anlagen werden zunehmend komplexer. Besondere Bedeutung für RLT-Anlagen kann der § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bekommen. Dieser Paragraph ermöglicht es Netzbetreibern, steuerbare Verbrauchseinrichtungen (wie große RLT-Anlagen) mit einer Leistung über 4,2 kW zu dimmen, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Die Betroffenheit ergibt sich im Wesentlichen daraus, ob die RLT-Anlage als steuerbarer Verbraucher klassifiziert wird und, ob sie in der Niederspannungsebene angeschlossen wird. Für RLT-Planer kann dies bedeuten, dass sie Konzepte entwickeln müssen, wie die Anlage auf solche Eingriffe reagieren kann, ohne die Luftqualität zu beeinträchtigen. Strom- bzw. Wärmespeicher sowie wärmepuffernde Gebäudestrukturen werden in diesem Kontext von zunehmender Bedeutung sein.
Zusätzlich sind die Anforderungen zum Lüftungscheck aus dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu berücksichtigen. Diese regelmäßigen Überprüfungen sollen sicherstellen, dass RLT-Anlagen effizient und gemäß den gesetzlichen Vorgaben betrieben werden.
Welche Rolle spielen dynamische Strompreise für RLT-Anlagen?
Ab 2025 werden dynamische Stromtarife in Deutschland verpflichtend eingeführt. Dies bietet für RLT-Anlagen sowohl Herausforderungen als auch Chancen:
Flexibilität: RLT-Anlagen müssen in der Lage sein, ihren Betrieb an schwankende Strompreise anzupassen.
Speichermöglichkeiten: Integration von thermischen Speichern, um Energie in Niedrigpreiszeiten zu "tanken".
Prognosemodelle: Entwicklung von Algorithmen, die Strompreise, Wetterdaten und Gebäudenutzung berücksichtigen, um den Anlagenbetrieb zu optimieren.
Lastverschiebung: Möglichkeiten zur zeitlichen Verschiebung energieintensiver Prozesse (z.B. Vorkühlung in Niedrigpreiszeiten).
Fazit: Der Weg zur "EnMS/UMS-ready" RLT-Anlage
Die technischen Möglichkeiten für hocheffiziente Anlagen sind vorhanden, die große Herausforderung liegt in der optimalen Integration in den PDCA-Zyklus und der kontinuierlichen Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen. Dabei sollten auch spezifische Designrichtlinien für RLT-Anlagen berücksichtigt werden, die auf Energieeffizienz, bedarfsgerechte Regelung, Flexibilität, Hygiene und Integration in die Gebäudeautomation ausgerichtet sind. Diese Richtlinien zielen darauf ab, den Energieverbrauch zu minimieren, die Luftqualität zu optimieren und eine nahtlose Einbindung in moderne Gebäudemanagementssysteme zu gewährleisten.
So ist ein ganzheitlicher Ansatz gefordert, der über die Grenzen der Gebäude bzw. Liegenschaft hinausgeht - denn durch beispielsweise den §14a EnWG sowie dynamische Stromtarife kann bei der RLT-Planung das Thema Vernetzung mit Stromversorgern und Netzbetreibern wichtiger werden. Letztlich muss hier eine praktikable Abwägung zwischen eingesparten Energiekosten und Aufwänden für komplexere RLT-Planung stattfinden.
EnPIs als zentrale Messgröße der Managementsysteme sollten schon in der RLT-Planung berücksichtigt werden, z.B. indem die Sensorik entsprechend granular ausgelegt wird.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der interdisziplinären Zusammenarbeit: RLT-Planer, Energiemanager, Facility Manager und Gebäudenutzer müssen von Anfang an eng kooperieren.
Das Prädikat "EnMS/UMS-ready" wird in Zukunft ein entscheidendes Kriterium bei der Planung und Bewertung von RLT-Anlagen sein -- denn so können RLT-Anlagen entstehen, die nicht nur energieeffizient sind, sondern auch flexibel auf zukünftige Herausforderungen reagieren können.